.



 

 
 
  Sie sind hier:   » Startseite » Archiv » 2011
 


Vermischtes

Ein Fahrrad mit Kilometern und Jahrzehnten auf dem Buckel

Von Erwin Lang

Kehl-Leutesheim. Das Fahrrad, das Friedrich Hummel (71) schon seit seiner Jugend besitzt, hat kein Licht, keine Bremse und ist überhaupt nicht verkehrssicher. Wollte man damit heute am Straßenverkehr teilnehmen, würde man sich sogar strafbar machen. Und dennoch hütet Friedrich Hummel es wie seinen Augapfel, denn das Oldtimerrad ist ihm ans Herz gewachsen. Das Rad ist noch weitgehend original erhalten und eine echte Rarität. Wie dann letztlich das Fahrrad nach Leutesheim kam, ist schnell erzählt: Der Vater von Friedrich Hummel war nach dem zweiten Weltkrieg Dorfschmied in Leutesheim, als er für einen Kunden im Schwarzwald gearbeitet hatte, bot ihm dieser dafür als Tauschgeschäft dieses Stahlross an, so brachte er es mit nach Leutesheim. Sein Sohn, der kleine Fritz war damals gerade 12 Jahre alt und hatte eine Riesenfreude an seinem »neuen Fahrrad«.

Dass es nur eine Vollgummi Bereifung hatte, fiel zur damaligen Zeit nach dem Krieg überhaupt nicht auf, denn die wenigsten Kinder in seinem Alter hatten überhaupt ein Fahrrad. Aber der kleine Fritz blieb nicht immer klein und so kam es, dass der hochgewachsene Junge beim Treten mit den Knien am Lenker angestoßen ist.

Das Fahrrad fand dann lange Zeit keine Beachtung mehr. Das Rad fristete für längere Zeit in einem Schopf hinter Vaters Werkstatt ein Schattendasein, denn die neuen Räder, die in den Sechzigern auf den Markt kamen hatten Gangschaltung, verchromte Lenker und sahen schicker aus. Vor zirka vier Jahren, als das Leutesheimer Autohaus Schumacher einen Tag der offenen Tür veranstaltete und einige Oldtimermotorräder ausstellte, erinnerte sich Fritz Hummel an sein Jugendfahrrad und stellte das noch gut intakte Gefährt kurzerhand zu den anderen ausgestellten Fahrzeugen dazu. Dabei fand es bei den Besuchern der Ausstellung viel Interesse und Beachtung.

Ein guter Bekannter, der das ausgestellte Rad ebenfalls sehr bewunderte, bot sich sodann an, im Internet zu recherchieren, um näheres über das »seltene Vehikel« herauszufinden. Schon kurz darauf war er mit einigen Datenblättern von einem Oldtimermuseum in Altmünster am Traunsee erschienen, dort ist ebenfalls noch so ein seltenes Fahrrad zu bestaunen. Zum letzten Mal vor drei Wochen hatte das Rad von Friedrich Hummel einen großen Auftritt, als bei der Leutesheimer Feuerwehr bei ihrer Veranstaltung zugunsten krebskranker Kinder unter anderem eine 15 Kilometer langen Strecke zu absolvieren war. Er schaffte die Strecke mit Bravour, kam allerdings als Letzter ins Ziel.

Auf die Frage, ob er vor hat, das Fahrrad zu verkaufen? »Daran habe ich überhaupt noch keinen Gedanken verschwendet, ich hoffe, dass es einmal einer meiner beiden Söhne in Ehren hält.«
 

Stichwort: Das Modell »Bianchi Militare Brevettato«
Die Herstellerfirmen dieses Prachtstücks Modell  Bianchi Militare Brevettato, waren zu seiner Zeit die Firmen Fiatin Turin und Edoardo Bianch in Mailandi Italien. Diese Räder waren zuerst normale zivile Fahrräder wurden in der Zeit zwischen 1909 und 1915 gebaut und dann zweckentfremdet für das Militär hergestellt. Sie hatten schon damals eine beachtenswerte Technik. Das „Modello Militare Brevetato“ wurde hauptsächlich von der italienischen Königlich-Leichten-Infanterie, den „Bersagliere“ (italienisch für Scharfschützen) im ersten Weltkrieg von den Alpen bis in die Wüste eingesetzt. Das Militärrad hatte schon damals eine Federgabel vorn und eine Teleskopfederung hinten. Zudem hatte es einen Klappmechanismus, um das Rad zu falten und auf kleinstem Raum zu transportieren zu können. Es hatte eine Vollgummibereifung der bekannten Firma Pirelli und eine Halterung, um ein Gewehr an der Stange mitzuführen. Allerdings war bei diesen Tretkurbelfahrrädern noch keine Bremse und kein Freilauf vorhanden, gebremst wurde allein mit Muskelkraft.

 



Foto: Erwin Lang

Keine Bremsen, kein Licht, keine Gummireifen: Trotzdem würde Fritz Hummel sein wertvolles Oldtimer-Fahrrad niemals verkaufen.



zurück | drucken


Aktives Dorf Leutesheim, September 2011