Vermischtes
Ein Fahrrad mit Kilometern und
Jahrzehnten auf dem Buckel
Von Erwin Lang
Kehl-Leutesheim. Das Fahrrad, das Friedrich Hummel (71)
schon seit seiner Jugend besitzt, hat kein Licht, keine Bremse
und ist überhaupt nicht verkehrssicher. Wollte man damit heute
am Straßenverkehr teilnehmen, würde man sich sogar strafbar
machen. Und dennoch hütet Friedrich Hummel es wie seinen
Augapfel, denn das Oldtimerrad ist ihm ans Herz gewachsen. Das
Rad ist noch weitgehend original erhalten und eine echte
Rarität. Wie dann letztlich das Fahrrad
nach Leutesheim kam, ist schnell erzählt: Der Vater von
Friedrich Hummel war nach dem zweiten Weltkrieg Dorfschmied in
Leutesheim, als er für einen Kunden im Schwarzwald gearbeitet
hatte, bot ihm dieser dafür als Tauschgeschäft dieses Stahlross
an, so brachte er es mit nach Leutesheim. Sein Sohn, der kleine
Fritz war damals gerade 12 Jahre alt und hatte eine Riesenfreude
an seinem »neuen Fahrrad«.
Dass es nur eine Vollgummi Bereifung hatte, fiel zur damaligen
Zeit nach dem Krieg überhaupt nicht auf, denn die wenigsten
Kinder in seinem Alter hatten überhaupt ein Fahrrad. Aber der
kleine Fritz blieb nicht immer klein und so kam es, dass der
hochgewachsene Junge beim Treten mit den Knien am Lenker
angestoßen ist.
Das Fahrrad fand dann lange Zeit keine Beachtung mehr. Das Rad
fristete für längere Zeit in einem Schopf hinter Vaters
Werkstatt ein Schattendasein, denn die neuen Räder, die in den
Sechzigern auf den Markt kamen hatten Gangschaltung, verchromte
Lenker und sahen schicker aus. Vor zirka vier Jahren, als das
Leutesheimer Autohaus Schumacher einen Tag der offenen Tür
veranstaltete und einige Oldtimermotorräder ausstellte,
erinnerte sich Fritz Hummel an sein Jugendfahrrad und stellte
das noch gut intakte Gefährt kurzerhand zu den anderen
ausgestellten Fahrzeugen dazu. Dabei fand es bei den Besuchern
der Ausstellung viel Interesse und Beachtung.
Ein guter Bekannter, der das ausgestellte Rad ebenfalls sehr
bewunderte, bot sich sodann an, im Internet zu recherchieren, um
näheres über das »seltene Vehikel« herauszufinden. Schon kurz
darauf war er mit einigen Datenblättern von einem Oldtimermuseum
in Altmünster am Traunsee erschienen, dort ist ebenfalls noch so
ein seltenes Fahrrad zu bestaunen. Zum letzten Mal vor drei
Wochen hatte das Rad von Friedrich Hummel einen großen Auftritt,
als bei der Leutesheimer Feuerwehr bei ihrer Veranstaltung
zugunsten krebskranker Kinder unter anderem eine 15 Kilometer
langen Strecke zu absolvieren war. Er schaffte die Strecke mit
Bravour, kam allerdings als Letzter ins Ziel.
Auf die Frage, ob er vor hat, das Fahrrad zu verkaufen? »Daran
habe ich überhaupt noch keinen Gedanken verschwendet, ich hoffe,
dass es einmal einer meiner beiden Söhne in Ehren hält.«
Stichwort: Das
Modell »Bianchi
Militare Brevettato«
Die Herstellerfirmen dieses Prachtstücks Modell Bianchi
Militare Brevettato, waren zu seiner Zeit die Firmen Fiatin
Turin und Edoardo Bianch in Mailandi Italien. Diese Räder waren
zuerst normale zivile Fahrräder wurden in der Zeit zwischen 1909
und 1915 gebaut und dann zweckentfremdet für das Militär
hergestellt. Sie hatten schon damals eine beachtenswerte
Technik. Das „Modello Militare Brevetato“ wurde hauptsächlich
von der italienischen Königlich-Leichten-Infanterie, den „Bersagliere“
(italienisch für Scharfschützen) im ersten Weltkrieg von den
Alpen bis in die Wüste eingesetzt. Das Militärrad hatte schon
damals eine Federgabel vorn und eine Teleskopfederung hinten.
Zudem hatte es einen Klappmechanismus, um das Rad zu falten und
auf kleinstem Raum zu transportieren zu können. Es hatte eine
Vollgummibereifung der bekannten Firma Pirelli und eine
Halterung, um ein Gewehr an der Stange mitzuführen. Allerdings
war bei diesen Tretkurbelfahrrädern noch keine Bremse und kein
Freilauf vorhanden, gebremst wurde allein mit Muskelkraft.
Foto: Erwin
Lang
Keine Bremsen, kein
Licht, keine Gummireifen: Trotzdem würde Fritz Hummel sein
wertvolles Oldtimer-Fahrrad niemals verkaufen.
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